Der facettenreiche Mut

Was ist Mut?

Gibt es eine Definition von Mut?

Hat Mut eventuell mehr Facetten als wir bisher dachten?

Oxford Languages hat dazu folgende Definition in der Pipeline (die haben wenigstens etwas in der Pipeline – ha ha)

Mut

Substantiv, maskulin [der]

  1. 1a.Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden; Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte „großer Mut“

Ist das aber wirklich alles was Mut ausmacht? Ich hege da so meine Zweifel, weil ich nämlich zu der Annahme komme, dass hinter den drei Buchstaben irgendwie so viel mehr steckt. Mehr als wir auf den ersten Blick auf eine Situation und einen Menschen erkennen können, mehr wenn wir eventuell ein zweites Mal hinschauen.

Bin ich mutig? Wenn ich mich mit einem grooooßen Schritt Abstand von außen betrachte würde ich spontan „Nein“ sagen. Per Definition, definitiv nicht. Ich bin also quasi im klassischen Sinn ein Hosenscheisser wie er im Buche steht.

Ich traue mich zum Beispiel nicht vor vielen Menschen zu sprechen. Manchmal auch nicht vor wenigen, kommt ganz drauf an wer vor mir steht und ob ich mich im Kreis dieser Menschen wohl fühle oder nicht. Da kann es passieren, dass ich sehr gerne aus mir herauskomme und losplappere, es kann aber auch das Gegenteil passieren, wenn ich irgendwo in mir das Gefühl habe ich könnte mich mit dem nächsten laut ausgesprochenen Satz so ziemlich blamieren und ich stehe da wie die größte Bumsdumpfbacke… Diese Zweifel liegen meistens an mir – i know…

Es gibt aber auch die Mitmenschkandidaten, die Ihr Gegenüber ganz gerne in solche Situationen manövrieren oder sie darin auch gern belassen, ob bewusst oder unbewusst kann ich gar nicht sagen, aber sie tun es wohl um sich selbst eben ein bisschen besser zu fühlen. Hier liegt das Problem natürlich eindeutig bei denen – i know that too… Macht es aber für denjenigen, der sich in solchen Momenten entmutigt fühlt leider nicht unbedingt besser. Auch irgendwie doof oder?

Ich habe eine panische Angst im Sinne einer Phobie vor einer bestimmten Tierart. Ich war einmal sehr mutig, als ich mir diese Tiere gemeinsam mit meinem Mann in real angesehen habe. Ich würde es als eine Art Konfrontations-Therapie bezeichnen. Dieser mutige Moment und der Adrenalinschub dazu haben mir rückblickend wirklich geholfen mit der Angst besser umzugehen. Mittlerweile kriege ich das soweit ganz gut hin. Die Phobie ist geblieben, die Angst diesem Tier zu begegnen ebenso. Doch trotzdem hat sich der kleine mutige Moment (der übrigens für andere eine Lappalie ist) für mich sehr gelohnt. Und nein, ich möchte nicht erzählen um welche Tiere es sich handelt, weil eventuell die Möglichkeit bestünde, das hier könnte irgendwie, irgendwann jemand lesen, der es nicht gut mit mir meint und man könnte mich damit konfrontieren… Paranoid? Schisser? So dermaßen unmutig? Aber sowas von… 😀

An der Kasse drängelt sich ein Sympathieträger der besonderen Art vor, mir nimmt jemand den Parkplatz weg… Situationen die jeder von uns kennt. Innerlich koche ich und schimpfe und eskaliere im ganz großen Stil wie eine Katze auf Baldrian… Nach außen hin wird man nicht viel merken, denn mich laut beschweren werde ich nicht… Ja weil ich vermutlich nicht mutig genug bin…

Wer mich kennt, der weiß, bei mir müssen sich Menschen sehr oft und mit Nachdruck daneben benehmen, bis mir die Hutschnur reißt und es aus mir herausplatzt. Das passiert tatsächlich sehr selten, aber es passiert, dann aber mit Anlauf und Trommelwirbel. Ich bin dann richtig schlimm angepisst, vermutlich weil ich erwarte, dass der/diejenige doch schon lange hätte merken müssen, dass eine Grenze erreicht oder auch bereits überschritten wurde. Ich tue mich dann wirklich schwer, zu verstehen was in meinem Gegenüber so abgeht und warum er/sie es nicht schon eher gerafft hat. Ich habe aber in den letzten Jahren gelernt, dass vieles nicht immer nur böse Absicht ist, sondern die Menschen die Grenze, meine Grenze nicht wahrnehmen oder erspüren konnten… Ich darf wohl nicht immer von mir auf andere schließen und auch das fällt mir wahrlich schwer. Vielleicht wäre es hilfreich meine Grenzen in Zukunft mutiger nach außen hin zu zeigen…

Ich konnte und wollte früher nicht vor anderen Menschen tanzen, mich frei bewegen. Ich habe mich geschämt, war immer gehemmt und mir hat vermutlich auch hier wieder das Quäntchen Mut gefehlt. Vermutlich weil ich dachte ich bewege mich so anmutig und schön wie ein Körperkevin nach 14 Kaffee mit Schuss… Versteht mich nicht falsch, mehr Mut und weniger Körperkevin sind in den letzten 10 Jahren wohl wahrlich nicht dazugekommen, nur eine gehörige Portion Leck-mich-am-Arsch-Gefühl, das macht es mir mittlerweile sehr viel leichter mich zu bewegen, wie ich das gerade möchte und nach was ich mich gerade fühle… Wie das für andere aussieht – Puh ja keine Ahnung, ich frage nicht näher nach – juckt mich aber auch nicht… weil, dann schaut´s halt ned hi… Ist das schon Mut? Oder ist es mir einfach egaaaaal?

Dann wäre da noch das Bouldern. Ich habe ja schon einmal darüber geschrieben, wie sich das mit meiner Sturz-/ Höhenangst gestaltet. Ob ich mit diesen Ängsten dann nicht komplett fehl am Platz bin in der Kletterhalle? Nein, natürlich nicht, denn das Entscheidende ist nicht, dass ich Angst habe zu stürzen, dass ich nicht bis an den Top komme, weil mir vielleicht mal wieder die Angst im Weg steht. Das wirklich Entscheidende ist, dass ich dort jede Woche wieder hingehe… Dass mich meine Angst an einen Punkt gebracht hat, wo ich jetzt nach 6 Jahren einfachere Routen mittlerweile angstfrei klettern kann. Der Mut und die Entschlossenheit es trotz allem immer wieder zu tun, es immer wieder zu versuchen, hat mir die körperliche Konstitution verschafft, dass ich im Vergleich zu früher, jetzt einfache Routen bis zum Top schaffe. Weil das Vertrauen in meine körperlich Kraft stimmt. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel, dass Mut manchmal auch ganz leise und ganz im Inneren passieren kann und darf.

Mut ist nicht immer brüllend laut. Manchmal ist es die ruhige, leise Stimme am Ende des Tages, die sagt: ‚Morgen versuche ich es wieder.

‚Courage doesn’t always roar. Sometimes courage is the little voice at the end of the day that says: ‚I’ll try again tomorrow.‘

Mary Anne Radmacher

Das Zitat ist so wahr und trifft es auf den Punkt.

Ich möchte nämlich eigentlich hier die Schleife ziehen, die Punkte die ich oben genannt habe, in denen ich so oft mutlos und ängstlich bin, zu schüchtern, zu zurückhaltend, sind wenn man es genau betrachtet, teils sehr oberflächlich und sehr offensichtlich. Natürlich, sie beeinhalten Mut oder eben keinen Mut… das erkennt man auf den ersten Blick, aber sie zeigen auch mit wie viel Lautstärke und Wumms Mut so oft einhergeht.

Ich stelle mir die ganze Zeit die Frage, ob Mut nicht vielleicht auch noch ganz andere Aspekte ausmachen?

Wenn man nämlich diesen besagten zweiten Blick auf den Mut wirft, so zeigt sich doch ganz deutlich, das Mut zeigen auch ganz einfach bedeuten kann Dinge zuzugeben.

Der Satz „Es ist mir gerade zu viel“ erfordert meiner Meinung nach sehr viel Mut. Ich finde nämlich, dass man mit Aussprechen dieses Satzes in zweierlei Richtungen etwas bewirkt. Einmal steht hier der Mut, es laut zu sagen und vor mir selbst und meinem Gegenüber etwas zuzugeben. Und direkt dahinter steht die Umsicht und die Fürsorge für mich und meinen Körper und meinen Geist – ich zeige Mut für meiner Selbst und ziehe eine Grenze. Ich ziehe im Gegenzug direkt dazu meinen Hut, vor jedem der das laut sagt und zugeben kann… Mut kann sein für andere einzustehen, er kann aber auch ganz klar bedeuten für Sich selbst einzustehen.

„Ich traue mich nicht“, auch ein Satz der auf den ersten Blick so negativ behaftet ist. Und doch zeigt er doch Mut in einer Facette, die uns vorher vielleicht nicht so bewusst war. Wer sagt denn schon gerne diesen Satz? Und doch ist er ein mutiges Zugeständnis an mich, ein Okay geben um mich selbst nicht innerlich zu zerfleischen und zu verurteilen. Es ist okay sich Dinge nicht zu trauen. Nach gründlichem Abwägen und der Möglichkeit es vielleicht morgen, vielleicht nächste Woche, vielleicht nächstes Jahr oder es auch gar nicht nochmal zu versuchen, ist es völlig okay, sich zuzugestehen, dass man sich etwas nicht traut. Es ist okay und es ist eine Art des Mutes sich in dieser Situation nicht selbst zu belügen…

„Ich weiß es nicht“… Oh wei, niemand, wirklich niemand antwortet gerne auf eine Frage (egal ob in der Arbeit oder im privaten Umfeld) mit „Ich weiß es nicht“… Pufftapäng – wer es nicht weiß, hat ja wohl keine Ahnung, ist ja wohl eine hohle Nuss… Aber mal ehrlich. Ist es nicht einfach die ehrlichste Antwort auf eine Frage die ich aktuell schlicht und einfach nicht beantworten kann? Und doch tun sich so viele Menschen so unglaublich schwer mit dieser Antwort. Ja es erfordert Mut und es stellt mich im ersten Moment in ein eher doofes Licht, nur finde ich es einfach nur fair, nicht irgendeinen Müll zu erzählen wenn ich es ganz einfach doch nicht weiß… Eine vermeintliche Schwäche annehmen, kann am Ende des Tages deine größte Stärke sein.

Seine Stärken und Schwächen erkennen und sie auch annehmen, zählen für mich mit zu den tollsten Stärken die man haben kann. Denn das hinschauen kann manchmal ganz schön unangenehm sein, Dinge anzunehmen, anzunehmen, dass man nicht perfekt ist, dass niemand perfekt ist und perfekt sein kann.

Ich hoffe dieser Blogbeitrag ist mit all seinen Irrungen und Wirrungen nicht zu verwirrend geworden. Mir war es ein Anliegen über das große Wort „Mut“ zu schreiben und zum Thema Mut einmal genauer hinzuschauen. Und ich stellte fest, dass dieser „große Mut“ nicht immer so groß und laut und auffallend sein muss. Ich konnte lernen, dass es manchmal so gut und wichtig ist einen Schritt vollen Mutes nach vorne zu gehen, es aber genauso wichtig ist dabei immer umsichtig zu bleiben und genau zu beobachten was mein Schritt im Nachgang mit sich zieht.

Mut ist für mich auch sich anderen anzunehmen, auf Sie zu achten, jeden Menschen zu achten, jedes Tier und jedes Lebewesen, auf mich selbst zu achten, meine Grenzen und die meiner Mitmenschen zu anzunehmen und zu akzeptieren oder es zumindest zu versuchen.

Mutig sind für mich all die Menschen, die jeden Tag einen kleinen Schritt tun, der vielleicht für diesen einen Menschen gerade die Welt bedeutet. Vergesst nicht, es macht es nicht weniger mutig, nur weil es für andere vielleicht ein kleiner Schritt ist.

Das Individuum zählt, und in jedem Individuum, in jedem von uns steckt so viel Mut, Angst, Umsicht, Achtsamkeit, Zuversicht und nicht zuletzt Liebe…

Ganz und gar man selbst zu sein, kann schon einigen Mut erfordern.

Sophia Loren

In diesem Sinne wie immer…

Sei dankbar, zufrieden und glücklich.

Du hast alles was es zum Glücklichsein braucht.

Eure Steffi von Bloggystyle

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